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Johann Evangelist Fürst (1784-1846) Volksaufklärer, Gesellschaftsgründer, Publizist und Unternehmer
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Der Name Johann Evangelist Fürst ist heute nur noch bei Pomologen und Gartenhistorikern bekannt. Und so wie die zahlreichen Publikationen Fürsts weitgehend in Vergessenheit geraten sind, ist auch von seinem Unternehmen in Frauendorf nichts mehr vorhanden.
Die „GartenKunst im Passauer Land“ hat es sich zum Ziel gesetzt, das Werk Johann Evangelist Fürsts wieder zu entdecken und der Öffentlichkeit in den kommenden Jahren zugänglich zu machen. Das heurige Veranstaltungsjahr war bereits Johann Evangelist Fürst gewidmet.
Fürst stammte aus einer Bauernfamilie, die seit 1701 in Frauendorf ansässig war. Da ein Schulbesuch in dem nur vier Gehöfte umfassenden Frauendorf nicht möglich war, erhielt Fürst unregelmäßigen Privatunterricht. Ab 1797 unterrichteten ihn Geistliche des Vilshofener Stiftes zur Vorbereitung auf das Gymnasium. Im Herbst 1799 übersiedelte Fürst nach Passau, um dort das Gymnasium zu besuchen. Sein Berufsziel war es Priester zu werden. 1802 übergab Fürsts Vater den Hof in Frauendorf seinem Sohn Simon Fürst. Johann Evangelist bekam 700 Gulden als Auszahlung. Im selben Jahr ging Fürst ans Gymnasium nach München, das er 1804 mit Erfolg beendete und nun ans Lyceum wechselte. Dieses musste er verlassen, als seine Beziehung zu seiner späteren Frau Babet öffentlich wurde.
Der Rektor des Lyceums verhalf ihm jedoch zu einer Anstellung als Hilfsbibliothekar in der Hofbibliothek. Darüber hinaus hörte er weiter als Volontär Vorlesungen im Lyceum zur Moralphilosophie, Pädagogik, Ästhetik und zu naturwissenschaftlichen Fächern. Fürst hatte in München Zugang zu gebildeten Kreisen und kam erstmals in Kontakt mit aufklärerischem Gedankengut.
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Einer seiner Förderer und geistigen Väter war der Münchner Historiker und Schriftsteller Lorenz Westenrieder (1748-1829), der in seinen zahlreichen Schriften die Position eines gemäßigten Aufklärers vertrat. Als die Hofbibliothek 1805 aus Kriegsgründen geschlossen wurde, bekam Fürst eine Anstellung als Kanzlist bei der Königlichen Generalzoll- und Mautdirektion in München. 1815 trat Fürst die Stelle des Halloberbeamten in Straubing an.
Johann Evangelist Fürst machte Karriere als bayerischer Beamter und stieg in das gebildete Bürgertum auf. Sein Bruder Simon dagegen war nicht in der Lage von den Erträgen des elterlichen Hofes seine Familie zu ernähren und bat Johann Evangelist immer wieder um finanzielle Unterstützung. Die wirtschaftliche Misere seines Bruders war für Fürst der Auslöser, sich intensiver mit der Situation der Landwirtschaft auseinanderzusetzen.
In München hatte Fürst die Theorie des Physiokratismus kennen gelernt, nach der der Wohlstand des Staates auf der Landwirtschaft basiere. Ebenso waren ihm die „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft“ des Agrartheoretikers Albrecht Thaer bekannt. Nach Fürst lag die Ursache der schlechten wirtschaftlichen Situation der Landbevölkerung zum großen Teil in veralteten Wirtschaftsmethoden. Einen Hauptgrund für das Festhalten an den tradierten Methoden sah er in der fehlenden Bildung der Landbevölkerung. Trotz der seit 1802 in Bayern be- stehenden allgemeinen Schulpflicht besuchten die Kinder der Bauern die Schulen oft nur unregelmäßig aufgrund der oft langen Wege, aber auch der Tatsache, dass die Kinder wichtige Arbeitskräfte auf den Höfen waren.
Auch war der Beruf des Landwirtes im Gegensatz zu anderen Handwerken kein Lehrberuf, sondern das Wissen wurde vom Vater an den Sohn weitergegeben, so dass neue Erkenntnisse kaum Eingang in die landwirtschaftliche Praxis fanden.
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Die europäische Agrarkrise von 1816/17 war vermutlich der endgültige Auslöser für Fürsts Engagement in Frauendorf. Noch im Jahr 1816 kaufte er seinem Bruder Simon den elterlichen Hof ab mit dem Ziel, ihn in ein landwirtschaftliches Mustergut zu verwandeln. Ganz im Sinne der Aufklärung stand für Fürst dabei das „vernünftige Handeln“ im Vordergrund, das nur durch Bildung zu erlangen sei. Bis 1826 erwarb Fürst die restlichen drei Höfe des Weilers Frauendorf.
Nach Thaers „Grundsätzen der rationellen Landwirtschaft“ plante Fürst zunächst die Etablierung eines breit gefächerten Betriebes. Um Missernten, Preis- schwankungen etc. entgegen zu wirken, sollte eine möglichst große Vielfalt an landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Produkten erzeugt werden. Darüber hinaus plante Fürst die Einrichtung einer landwirtschaftlichen Bildungsanstalt in Frauendorf. Dieses umfassende Konzept wurde jedoch nicht realisiert, sondern Fürst konzentrierte sich vor allem auf die Obstbaumzucht.
Neben dem eigenen Betrieb betätigte Fürst sich als Schriftsteller, Redakteur und Herausgeber, um sein Ziel zu erreichen, mit Hilfe der Volksaufklärung die Lebens- bedingungen der ländlichen Bevölkerung zu verbessern. Gleichzeitig erhoffte er sich von seinen Veröffentlichungen entsprechende Einnahmen, um seine Projekte finanzieren zu können. Fürst publizierte 1817 den Roman „Der verständige Bauer Simon Strüf“.
Eingebettet in eine fiktive Familien- und Dorfgeschichte beschreibt Fürst am Beispiel des fleißigen Bauern Simon Strüf und der funktionierenden Dorf- gemeinschaft Lichtendorf wie eine erfolgreiche Landwirtschaft geführt werden muss. Diesem stellt er den faulen, erfolglosen und lernunwilligen Bauern Gschray im Ort Trampeldorf gegenüber. Die Idee eines derartigen Werkes war nicht neu. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Bücher mit volksaufklärerischem Inhalt. Die land- und hauswirtschaftlichen Themen waren in der Regel – wie auch bei Fürst – in Romanhandlungen eingebunden. Die Werke hatten zum Ziel, die Landbevölkerung auf unterhaltsame Weise zu belehren, um ein mündiges und eigenverantwortliches sowie wirtschaftlich besseres Leben führen zu können.
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Um regelmäßiger und damit auch aktueller die Landbevölkerung unterrichten zu können, gab Fürst ab 1819 die „Bauern-Zeitung aus Frauendorf“ heraus, die wöchentlich bis 1830 erschien. Sie wurde ab 1831 von der „Allgemeinen deutschen Bürger- und Bauern-Zeitung“ und diese 1834 von der „Neuen Bürger- und Bauern-Zeitung“ ersetzt. Um das im Lesen oft ungeübte bäuerliche Publikum zu erreichen, war die Zeitung mit Holzschnitten illustriert, die Sprache möglichst einfach gehalten und die lehrreichen Artikel wechselten mit unterhaltenden Geschichten ab. Sowohl der Roman „Simon Strüf“ als auch die „Bauern-Zeitung“ hatten ein hohe Auflage und einen weiten Verbreitungsgrad. Die eigentlichen Adressaten wurden jedoch nicht erreicht. Leser waren vorwiegend gebildete Schichten wie Pfarrer, Lehrer und Beamte.
1822 gründete Fürst schließlich die „Praktische Gartenbau=Gesellschaft zu Frauendorf“, um weitere Möglichkeiten zur Verbreitung seiner bildenden und aufklärerischen Ideen zu erschließen. Die „Allgemeine deutsche Garten-Zeitung“ erschien ab 1823 als Vereinsorgan. Ziel der Gesellschaft war es, neue Erkenntnisse in allen Bereichen des Gartenbaus zu erlangen und diese über die Mitglieder zu verbreiten.
Der einmalig zu zahlende Mitgliedsbeitrag von drei Gulden war sehr gering, so dass die Zahl der Mitglieder rasch anwuchs und 1841 über 2000 betrug. Auch hier griff Fürst früh eine vorhandene Idee auf. Vorbild für die Frauendorfer Gartenbau=Gesellschaft war die 1804 in London gegründete "Horticultural Society of London".
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden in ganz Europa zahlreiche weitere Gesellschaften, die sich die Förderung des Gartenbaus und der Gartenkunst zur Aufgabe gemacht hatten, so z. B. 1822 unter der Federführung des Preußischen Gartendirektors Peter Joseph Lenné der "Verein zur Förderung des Gartenbaus in den Preußischen Staaten" und 1827/37 die "K. k. Gartenbau-Gesellschaft" in Wien durch Karl Freiherr von Hügel, der eine Gruppe gleichgesinnter adeliger Garten- enthusiasten um sich geschart hatte.
Die bereits erfolgte Trennung der Themen Landwirtschaft und Gartenbau durch die Gründung einer zweiten Zeitung setzte Fürst 1828 mit dem „Obst- baum-Freund“ fort. Die Erfahrungen aus seiner eigenen intensiven Tätigkeit in seinem Frauendorfer Unternehmen flossen in den „Obstbaum-Freund“ ein. Fürsts Obstbaumschule war mittlerweile so weit angewachsen, dass er Stecklinge nach ganz Europa verschickte. Neben den praktischen Hinweisen zur Obstbaumzucht wurden die Leser auch mit Themen aus der vaterländischen Geschichte des Obstbaus lehrreich unterhalten.
Arbeitsaufwand und Kosten für die Herstellung und Verbreitung von drei Zeitungen waren ausgesprochen hoch, so dass Fürst die Zeitungen ab 1844 zusammenfasste und als „Vereinigte Frauendorfer Blätter“ herausgab. Da ein großer Teil der Werbung für das Fürstsche Unternehmen über seine Zeitungen lief, waren sie wichtige Grundlage für die Versandgärtnerei.
Die finanzielle Situation war aufgrund der hohen Investitionskosten für den Erwerb der vier Höfe, die Einrichtung einer Obstbaumschule und der Herstellung von drei Zeitungen äußerst angespannt. 1830 belasteten Hypotheken von fast 12.000 Gulden den Fürstschen Besitz. 1844, als der Betrieb fast schuldenfrei war, zerstörte ein Gewitter große Teile der Garten- und Obstbaumanlagen und beschädigte das Wohnhaus Fürsts. Der landwirtschaftliche Betrieb hätte nur mithilfe staatlicher Kredite wieder aufgebaut werden können, die ihm nicht gewährt wurden. Der Erlös der Zeitungsabonnements, der bereits eine wichtige Einnahmequelle darstellte, wurde nun zur finanziellen Basis der Familie.
Als Fürst 1846 starb, übernahm sein Sohn Eugen Fürst mit einer Erbenge- meinschaft den väterlichen Betrieb. 1852 ließ die Erbengemeinschaft wegen Streitigkeiten das Unternehmen versteigern. Drei Jahre später konnte Eugen einen Teil der Flächen wieder zurück kaufen. Auf den verbliebenen Flächen führte Eugen Fürst die Versandgärtnerei weiter, die „Vereinigten Frauendorfer Blätter“ hatte er seit dem Tod des Vaters ohne Unterbrechung weiter herausgegeben.
Auch in Fachkreisen war Eugen Fürst anerkannt. Er war Mitglied in zahlreichen naturwissenschaftlichen Gesellschaften sowie in Gartenbauvereinen in Deutsch- land und im Ausland. Der Betrieb blühte erneut auf. Nach dem Tod Eugens im Jahr 1877 begann der allmähliche Niedergang des Unternehmens. Der Abonnentenkreis der Zeitung, die für die Versandgärtnerei wichtiges Werbeorgan war, nahm stetig ab und die Zeitung wurde 1893 eingestellt.
Die Flächen, die Johann Evangelist Fürst mit seinen Gärtnern mühsam für die Obstbaumkultur urbar gemacht hatte, wurden nach und nach wieder als Acker und Wiesen genutzt. Mit dem Tod des letzten Erben, Willibald Fürst, im Jahr 1920 wurde die Obstbaumzucht endgültig aufgegeben.
Aufgrund der bisher erfolgten Arbeiten der „GartenKunst im Passauer Land“ zur Person Johann Evangelist Fürst konnten bereits Kontakte zu einzelnen Nach- kommen geknüpft werden. Das in den Verlassenschaften vorhandene Material wird wissenschaftlich ausgewertet und ist eine wichtige Grundlage für die weitere Aufarbeitung. Für weitere Hinweise sind wir dankbar.
Claudia Gröschel
Weiterführende Literatur:
Raimund Maier: Johann Evangelist Fürst aus Frauendorf – Vom Bauernbuben zum Bestsellerautor und Unternehmer von Weltruf, in: Vilshofener Jahrbuch, 13, 2005, Seite 33-56.
Marie-Louise Segl: Bayern als Garten. Programm und Strategie des Volksauf- klärers Johann Evangelist Fürst, in: Ostbairische Grenzmarken, 35, 1993, Seite 146-160.
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