Der Typus des Orangeriegewächshauses taucht in Deutschland etwa ab 1730 auf. Im Gegensatz zu den Orangeriegebäuden, die neben der gärtnerischen Nutzung zur Überwinterung der kostbaren Orangeriepflanzen auch für repräsentative Zwecke verwendet wurden, und dementsprechend oft eine reiche bauplastische Dekoration erfuhren, waren die Orangeriegewächshäuser einfache Nutzgebäude, deren Bauform auf die Bedürfnisse derPflanzen ausgerichtet waren. Rück- und Seitenwände sind als geschlossene Wände in Stein oder Fachwerk errichtet. Die Südfassade ist leicht schräg gestellt, völlig verglast und weist einen Sonnenfang auf. Diese Hohlkehle besteht aus einer meist verkleideten Holzkonstruktion, die die anfällige Glasfassade vor der Witterung schützen und in geringem Maße auch die Wärme halten sollte. Erst mit der Entwicklung der Gieß- und Walztechnik in der Glasherstellung seit dem Ende des 17. Jahrhunderts konnten größere Glasplatten gefertigt werden, die eine derartige Auflösung der Fassade in Glas ermöglichten.
In Deutschland wurde dieser Typus als einfaches, schmuckloses, reines Nutzgebäude in der Regel in den Küchengärten errichtet, während die Orangerien als repräsentative Gebäude an exponierter Stelle im Schlossgarten standen. In Kombination mit Mittel- oder Seitenpavillons konnte die reine gärtnerische Nutzung dieser Häuser jedoch auch mit einer gesellschaftlichen Nutzung wie Teepavillon o. ä. erweitert werden. In Österreich dagegen entwickelten sich die Orangeriegewächshäuser zur überwiegend verwendeten Bauform. Ein Beispiel dafür ist das heute als Café genutzte Gebäude in Schärding mit zweistöckigem Mittelrisalit und seitlichen Sonnenfanghäusern.
In vielen Gärten wurden Orangeriegewächshäuser errichtet, heute sind jedoch nur noch wenige dieser Art erhalten. Eines der wenigen, das bis heute gärtnerischen Zwecken dient, ist das um 1757 errichtete Orangeriegewächshaus im ehemaligen Klostergarten in Seligenstadt am Main.
Das Orangeriegewächshaus am heutigen Amtsgericht in Passau ist aufgrund seiner einzigartigen Lage als „hängendes Orangeriegewächshaus“ außergewöhnlich. Darüber hinaus ist es das einzig erhaltene Zeugnis einer herausragenden Orangeriekultur im Passauer Land, die nachweislich im fürstbischöflichen Garten in Hacklberg vor 1554 begann, sich über Klöster, Schlösser und Herrenhäuser im Passauer Land verbreitete und größtenteils erst mit der Säkularisation und der Mediatisierung ein Ende fand. Das Orangeriegewächshaus am „Herbersteinpalais“, das im 18. Jahrhundert als Wohnung der Passauer Bürgermeister diente, ist darüber hinaus ein Beispiel für die Orangeriekultur im städtisch-bürgerlichen Kontext.
Eine weitere Erforschung dieses Gebäudes sowie die Erhaltung und Nutzung müssen daher oberstes Ziel sein. (Dr. Claudia Gröschel 03 / 2005)
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