Weizen (Triticum) und Gerste (Hordeum)
Weizen und Gerste sind das in der Bibel oft erwähnte „Korn“ oder „Getreide“ und waren die wichtigste Nahrungsquelle. Die beiden Getreidearten entwickelten sich aus Wildgräsern. Die Nomadenvölker im Orient ernährten sich auf ihrer Wanderschaft von den Wildgräsern. Mit der Sesshaftigkeit der Menschen begann die Kultivierung dieser einzigen biblischen Getreidesorten. Im Laufe der Zeit entstand ein Getreide, das sich zunehmend nicht mehr selbst aussäte, sondern es bedurfte der Kulturarbeit des Menschen, der es anbaute.
Brot spielte eine zentrale Rolle bei der Ernährung der Menschen im Altertum. Fleisch gab es nur an hohen Feiertagen oder bei wichtigem Besuch. In der Regel aßen Menschen Brote aus Weizen, die wesentlich billigere Gerste wurde hauptsächlich als Tiernahrung verwendet. In Krisenzeiten wurden auch die Gerstenvorräte von den Menschen gegessen. Es gab jedoch häufig Krisenzeiten, weil in guten Jahren die Ernte gerade einmal für die Versorgung der eigenen Familie ausreichte. Der Ertrag reichte nicht für die Vorratshaltung, denn etwa 20% der Jahresernte musste als Saatgut für das nächste Jahr aufbewahrt werden. Außerdem hatten die Bauern zur Zeit Jesu eine Steuerbelastung von ca. 33%, die in Getreide zu entrichten war. Somit blieb dem Bauern etwa die Hälfte der Ernte für den eigenen Bedarf. Schon eine längere Trockenheit konnte die Familien an den Rand des finanziellen Abgrunds bringen.
In biblischer Zeit wurde die Gerste als Frühsaat von Mitte November bis Mitte Januar und der Weizen als Spätsaat von Mitte Januar bis Mitte März ausgesät. Gleich nach der Saat wurde der Boden gepflügt, so dass die Körner im Schutz der Bodenkrume aufwachsen konnten. Der Regen diente in Palästina als einzige Bewässerung, weil geeignete andere Wasserquellen fehlten. Gerade in der Umwelt des israelischen Volkes war der Regen Voraussetzung für Fruchtbarkeit und Leben, denn blieb im Winter der Regen aus, so drohte eine Hungersnot für die Bevölkerung. Im April begann die Gerstenernte und im Mai die Weizenernte. Die Getreidehalme wurden mit einer Sichel relativ hoch abgeschnitten. Die noch verbleibenden kürzeren Halme durften nach der eigentlichen Ernte von den Menschen ohne eigenen Grundbesitz abgeerntet werden. Zur damaligen Zeit übernahm diese Geste die Funktion einer Sozialversicherung. Die Bedürftigen konnten so noch genügend Getreide ernten und somit einen Teil ihrer Eigenversorgung sicherstellen.
Es war der Weizen, um den es in Pharaos Traum von den sieben fetten Jahren ging (Gen 41,22-23). Joseph deutete ihn richtig und ließ Vorräte anlegen in den Scheunen Ägyptens. Während der Hungersnot kamen auch seine Brüder nach Ägypten (Gen 42). Aus dem Neuen Testament kennt man das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,3-9). Jesus hat sich zudem mit dem Weizenkorn verglichen: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Auch über das Wunder der Brotvermehrung berichtet die Bibel (Joh 6,9-13). Die ausdrückliche Erwähnung von Gestenbroten im Wunder der Brotvermehrung ist als ein Hinweis auf das ärmliche Umfeld im Kreise Jesu zu verstehen.
„Unser Tägliches Brot gib uns heute“, so lautet eine der Bitten im Vaterunser. Brot war das wichtigste Grundnahrungsmittel der Menschen zur Lebzeit Jesu und nimmt somit in der Bibel eine zentrale Rolle im Leben der Menschen ein. Nirgends wird jedoch das Gesetz von „Stirb und Werde“ dem Menschen so deutlich vor Augen geführt wie bei dem Vorgang der Saat und Ernte. Wie das Weizenkorn aus dem dunklen Schoß der Erde seiner Bestimmung entgegen wächst und wieder vergeht, so ergeht es auch dem Menschen. Jesus verwendet das Weizenkorn als Symbol eines neuen Lebens. Die Entfaltung des Weizenkorns wird schließlich zu einem Bild für die Ausbreitung des Gottesreiches: Der Same keimt, sprießt auf und bringt reiche Ernte.
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